Project Description
Lampe? Unten! 200 Fari Bassi in München
Atem anhalten. Staunen. Die Zeit anhalten für einen Moment. Mitjubeln und mitfreuen. Nicht nur bei diesem einen magischen Moment, als Robert Zickler mit seiner Faro Basso vor dem Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München durch den Feuerreifen springt. Der Höhepunkt und Abschluss der Akrobatik-Show der Vespa Oldtimer Freunde München, die an diesem zweiten Wochenende im Mai die Vespa-Welt verzaubert haben. Einmaliges geschaffen, magnetisch anziehend gewirkt haben für die Vespa-Gemeinde – eigentlich aus der ganzen Welt. Und die es vor allem geschafft haben – zusammen mit diesem Phänomen und wandelnden Vespa-Lexikon Robin Davy, der die wohl umfassendste Vespa-Sammlung überhaupt zusammengetragen hat – mehr als 200 Vespen zusammenzubringen, die die Lampe unten tragen. Die aus der Anfangszeit des Kults aus den Jahren 1946 bis 1957. Wobei vor allem die ganz frühen Modelle in einer Menge auf dem roten Teppich auf ihren Trittbrettern lümmelten, wie es wohl kein zweites Mal wieder so sein wird.
Wie ein Klassentreffen
Es ist ein bisschen wie ein Klassentreffen an diesem 10. und 11. Mai 2024 in München. Die Szene ist ein verschworener Haufen, der aber nach allen Seiten offen ist. Kein elitäres Club-Gehabe. Kein Mein-Haus-mein-Pferd-meine-Yacht-Gepose. Es ist das Leben eines Lebensgefühls, das für die, die es leben und lieben, eben nur mit der Vespa echt ist. Dafür kommen sie als Team eingekleidet aus Jesolo auf Achse der Acht-Zoll-Rädchen nach Monaco di Bavaria angereist, wie es auf einer Klappe der linken Seitenbacke einer Faro Basso steht, mit Kreide draufgepinselt. Startort, Zielort. Dazwischen ein Haufen Spaß, viele Kurven. Und in München zwei Festival-Tage voller Kaiserwetter. Das Vespa-Team Franken mit Udo Pötzinger, Werner Reiß, Frank Koch, Horst Klaus und Dietmar Rieß hat natürlich auch alles zusammengepackt, was die Lampe unten trägt. Hoffmänner, Acmas, Königinnen. Die ehrenwerte Hoffmann-Rennstaffel ist da, sie kommen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich, sogar aus Thailand. Ein Querschnitt aus der Bandbreite des Treffens, das zeigt, wie breit die Vespa-Welt aufgestellt ist. Und was es alles allein in diesen elf Jahren Produktionszeit an Modellen und Versuchen gegeben hat, die Italiener und die Menschen in der ganzen Welt wieder mobil zu machen. Ihnen vor allem eine günstige und einfache Fortbewegung möglich zu machen nach dem verheerenden Zweiten Weltkrieg.
Damals Mittel zum Zweck, heute geliebtes Design-Stück
Damals Mittel zum Zweck, heute ein geliebtes und verehrtes Design-Objekt, teilweise in Gold aufgewogen. Robin Davy, der Wahl-Münchner mit den englischen Wurzeln, hat das früh erkannt und in den vergangenen Jahrzehnten wirklich alles zusammengetragen, was mit Vespa zu tun hat. Und Wissen angehäuft, das sich kaum toppen lässt. Auch in wirklichen Nischen-Bereichen – wie dem der Welt der Plaketten. Eine Bibel über Plaketten hat er jetzt zusammen mit Mika Hahn herausgebracht und auf dem Treffen der Vespa-Welt vorgestellt. Es gibt ja viele, die sich nie eine Plakette an ihren Roller nieten oder schrauben würden. Dabei ist das, was Robin Davy und Mika Hahn in der Ausstellungshalle des Verkehrszentrums des Deutschen Museums mit einer unglaublichen Liebe beschreiben, voller Symbolkraft, voller Faszination. Weil die kleinen, detailreich und handwerklich zum Teil wahnsinnig aufwendigen Teile Beleg dafür sind, „wie die Vespa die Menschen zusammengebracht hat nach dem Zweiten Weltkrieg“, wie es Mika Hahn beschreibt. Wer eine Plakette am Roller hatte, hatte eine Geschichte dazu: Wie er zu einem entfernten Treffen gefahren ist, wen er getroffen hat, was er auf der Reise erlebt hat. Er ist rausgekommen aus dem oft arbeitsreichen und harten Alltag der 50er des vergangenen Jahrhunderts. Hat Rock’n’Roll und Beat erlebt. Oder später dann den Northern Soul der Szene, der so genial in die Beine geht. Wie natürlich auch in der Kongress-Bar am Ankunfts-Abend in München.
Geschichte trifft Geschichte
Geschichte trifft Geschichte an einem Ort, den man für derartige Veranstaltungen normalerweise nicht für Geld und gute Worte bekommt – direkt hinter der Bavaria, die auf die Theresienwiese lächelt. Jede Vespa hat eine eigene, faszinierende Geschichte, die in dem gut gesicherten Innenhof lümmelt, liegt oder steht. Egal, ob es die erste Vespa ist, die in Belgien zugelassen wurde – O-Lack, logisch. Oder die U, die Utilitaria, die aus Schweden kommt, und deren Geschichte ihr Besitzer haarfein recherchieren konnte – und darüber hinaus die blaue Mauritius unter den Wespen geschnappt hat. Denn die U war ein Versuch, ein preisgünstiges Modell auf den Markt zu bringen. Und ein grandioser Flop in Pastellgrün. Nach 6000 Stück wieder eingestellt – und heute mit der Lupe zu suchen, weil jeder, der eine hat, sie natürlich nie mehr hergeben würde, diese Seltenheit.
Toll zum Anschauen, genial zum Fahren
Dass Vespa schön und toll zum Anschauen ist, ist die eine Seite dieses Raritäten-Kabinetts, von denn natürlich Robin Davy einige besondere und auch besonders kuriose Stücke in die Ausstellung des Deutschen Museums integriert hat, darunter auch den einen oder anderen Spickzettel für die Mobilität der 2000er Jahre. Die andere Seite aber ist das Fahren. Und wie! Denn die einst von Robin Davy aus der Taufe gehobene Akrobatik-Truppe der Vespa-Freunde München zeigt mit fast beängstigender Perfektion, was alles mit die Schmuckstücken möglich ist – und vor allem, was sie alles mitmacht. Wenn man es kann. Bis zu drei Lampe-unten rollen im Parallel-Flug über die Show-Fläche, bis zu zehn Akrobatinnen und Akrobaten, in weißen Hosen und dunkelblauen Shirts, die jüngsten gerade mal vier Jahre alt, bilden den Zehner-Stern – oder sind zu siebt auf einer einzigen Vespa unterwegs. Bis natürlich zu diesem Höhepunkt des Feuerreifen-Sprungs von Robert Zickler.
Mit 1000 Rollern durch die Stadt
Der gleichsam überleitet zu einem Ereignis, der wie ein Feuerwerk der bunte Abschluss des fünften Vespa-Welt-Treffens in München ist: der Corso von der Theresienhöhe zum Königsplatz und zurück, an dem – zumindest nach inoffiziellen Angaben – über 1000 Roller teilnehmen, angeführt selbstverständlich von den weit über 200 Fari Bassi. Ein unvergessliches Bild, das als zweitaktende Dauerschleife mehr als eine halbe Stunde durch die Stadt rollt – und den Münchner Verkehr am Samstagnachmittag in der Altstadt erst einmal zum Stillstand bringt. Was einer Verbeugung gleichkommt – von der nördlichsten Stadt Italiens für einen der wichtigen Exportschlager aus Italien. Die Vespa. Die mit der Lampe unten. Und alle anderen, die ihr nachfolgten. Um Geschichte und Geschichten zu schreiben. Die meist mit einem Lächeln im Gesicht zu Ende gehen. Mit Staunen. Mit Atem anhalten. Und die auf so wunderbare Weise die Zeit anhalten – und wie ein Jungbrunnen wirken. Vespa eben.