Project Description
Monogrün!
Kaum einem anderen Detail wie der Farbe eines Autos wird so wenig Beachtung geschenkt. Das ist bitter. Schon allein deshalb, weil Farbe mehr ist als nur der Vorgang des Tauchbadens und Durchlackierens eines Fahrzeugs. Farbe unterstreicht den Charakter eines Autos. Macht es stark. Schwach. Weich. Oder einfach unansehnlich.
Legendär ist die Geschichte des österreichischen Motor-Journalisten – ach was: Motor-Halbgottes – Philipp Waldeck. Der hat sich an einem Porsche 964 Carrera RS abgearbeitet. Nicht, weil ihn die Daten dieser Ikone – 260 PS, die auf 1220 Kilo treffen – so faszinierten. Sondern weil er die Farbe so abstrus fand, dass sie den Tapfersten – also selbstverständlich ihn – zerstören könnte. Die Zuffenhausener haben diese automobile Sternstunde damals in Sternrubin an Waldeck zum Test ausgeliefert. Eine Farbe, der Waldeck sich verbal im Trippelschritt nähert: „Pink? Mauve? Flieder? Purpur? Bluterguss?“ Als „schimmernde Zuckerlfarbe“ auf diesem Porsche wahrgenommen, bleibt Waldeck also nur eins in diesem Test: „Ich stand, den Schlüssel in der Hand, und sah und litt.“
Nun kann die Farbe eines Autos modisch sein, wie die des zwischen Lila und Pink chargierenden Neunelfers. Sie kann aber auch ein Wink der Geschichte sein. Wie die eines Autos, das die Jungs von der Insel neu erfunden haben. Beim Käfer ist das damals schief gegangen, bei der Ente haben die Franzosen es glücklicherweise gar nicht versucht. Aber beim Land Rover Defender war es halt unumgänglich irgendwie. Wer die 70 Lenze Bauzeit hinter sich hat, kann eben nicht mehr die jugendliche Taufrische in sich tragen.
Defender also. In diesem Namen wohnt, dass er der Verteidiger ist. Sich gegen etwas stellt. Mehr als 70 Jahre lang hat sich dieser unverwüstliche Knorzen gegen alles gestellt, was eine asphaltierte Fahrbahn war. Geradeauslauf, Lust an Kurven, höhere Geschwindigkeit als 100, ausgezeichnete Bremsleistung inklusive. Der Defender war ja schließlich ein Auto, das für den Weg gebaut war, den es – noch – gar nicht gab. Ergonomisch eine mittlere bis große Katastrophe warst du als Fahrer eher Mittel zum Zweck der motorisierten Fortbewegung, schräg versetzt vor einem Lenkrad in einer eher physiologisch bedenklichen Position eingespannt, deren dauerhafter Verbleib an einigen Körperstellen durchaus Flecken in Pink, Mauve oder Sternrubin erzeugen konnte.
Defender, neu erfunden, ist – um es vorweg zu nehmen – die gelungene Übersetzung einer Legende in die Neuzeit. Mit einem butterweich schaltenden Achtgang-Automaten, mit einem Entertainment-System, das jenem vieler anderer Herstellern seiner Zeit so weit voraus ist, wie der alte Defender seiner Zeit hinterher war. Mit einem einzelradaufgehängten statt einem traktorhaft starrachsig-störrischen Fahrwerk und Fahreigenschaften, die einem Defender zum ersten Mal die Chance eröffnen, ein Auto zu sein. Bei Land Rover haben sie einen Sprung geschafft, der so weit weg vom Original ist, ohne sich einen Millimeter von der Blaupause zu entfernen. Das Hutschachtelhafte des Designs ist geblieben, aber charmant gerundet. Mit geschlossenen Augen erkennst du den Defender als Defender als Defender.
Und dann diese Farbe: Pangea Green. Ein Grün, das ein bisschen an den Hammerschlag-Lack von für die Ewigkeit lackierten Standbohrmaschinen erinnert. Die nah dran ist an den ersten Land Rover, als sie noch nicht Defender genannt wurden, aber das gleiche konnten: Dich dorthin zu bringen, wo du zu Fuß nicht hinkämst.
Fotografisch ist die Farbe eine Schau. Bist du mit dem Pangea-Grünen in der Zwischenwelt von Herbst und Winter unterwegs, in der das Wetter die Graukarte raushängt und du dir die Winterdepression wie einen Schal um den Hals legst, denkst du in monochromen Tönen. Und der Defender in Pangea-Green eröffnet dir plötzlich eine völlig neue Farbpalette in der Einzelfarbenwelt: Monogrün in monochrom – oder wie ein alter Freund mit klugem Fotoauge sagt: „Monomoosgrün, die neue Trendfarbe.“ Deshalb ist es unerlässlich, dem Detail der Farbe mehr Beachtung zu schenken. Pangea Green, eine Verneigung vor der Geschichte. Und für die Zukunft die einzige Farbe, die Defender-Freunde gegen alle anderen Farben verteidigen sollten.
Nicht dass irgendeiner auf die Idee käme, das Ding in Sternrubin zu lackieren…
Den Test mit allen Daten und Fakten gibt es auf echtem Papier in der gedruckten Ausgabe des Nordbayerischen Kuriers vom 12. und 13. Dezember 2020