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Die Scuderia Stelvio rockt die Sella und das Timmelsjoch

Die Gretl und der Sepp vom Stiegerhof in Oberinn am Ritten bekommen große Augen. Nicht, weil sie mich nicht gleich erkennen. Ist ja auch kein Wunder, schließlich ist es gut 20, wahrscheinlich sogar 25 Jahre her, dass wir hier auf diesem wunderschönen Bauernhof zum letzten Mal übernachtet und die Gastfreundschaft der beiden genossen haben. Mit der Lederjacke, dem Helm, der Sonnenbrille und dem Bart im Gesicht noch dazu. Denn statt gemütlichem Wanderurlaub und Törggelen steht diesmal auch wieder Gipfelgenuss der ganz anderen Art auf dem Programm: Die Scuderia Stelvio ist wieder unterwegs. So viele wie bislang nicht. 14 Vespen sind es, die ganz spontan von der Sarntaler Seite aus den Ritten hochgeballert sind und bei Sepp ganz spontan die Erinnerungsmaschine anwerfen. Zweitaktend, logisch.

Die Erinnerung hängt drin.

Ja, Bayreuth, sagt er mit einem Lächeln. Da war er in den 60er Jahren auch mal. Mit der Vespa, klar. Er mit seiner Sprint, sein Freund hat ihn damals begleitet mit seiner 180 Super Sport, so wie Alex eine hat. Und die Sprint, auf der Thomas sitzt. Die Erinnerung hängt drin. Hat sich eingebrannt. Wie bei uns auch beinahe jede Kehre in den vergangenen Jahren, seit die Scuderia Stelvio ihren Ursprung hatte mit der ersten Kurven-Hatz von Mals im Vinschgau aus.

Der direkte Weg ist immer zu wenig.

An diesem dritten Fahr-Tag und der Stippvisite am Stiegerhof war auch der direkte Weg nach Bozen: zu wenig. Weil der Weg zum Ziel die Tornante als Konstante ist. Und wo eine ist, da kommt in Südtirol die nächste. Die dir das Grinsen ins Gesicht fräst, wenn du drauf zu fliegst. Die Zehnzöller im Vortrieb ein bisschen zügelst, den Griff von 4 auf 3 und von 3 auf 2 drehst. Kupplung kommen lässt. Und wieder Feuer gibst, was das Ding schräg rechts unter Dir halt hergibt. Bis oben dann nach unzähligen Kehren und Kurven das Gipfel-Schild winkt. Und die nächste Frage ist: Wo gibt es denn eigentlich die schönen Pass-Aufkleber, von denen wir diesmal fast schon ein paar zu viele sammeln. Für das Postkarten-Blick-Gedächtnis im Kopf. Oder ganz real am Roller. Wo beim einen oder anderen der Platz schon fast knapp wird so langsam.

Alle zusammen kommen auf rund 10.000 Kilometer. An drei Tagen.

Alex hat es mal ausgerechnet: Alle Roller zusammen kommen an den drei Tagen im Juni 2024 auf rund 10.000 Kilometer – und die wenigsten davon auf einem wirklich geraden Stück Straße. Manche sogar auf Etappen, die den Namen Straße nur so ein kleines bisschen verdienen. Ein asphaltierter Flickenteppich aus Aus- und Aufbrüchen, Querfugen und Längsschlitzen, die mit gewetzten Messern auf die Schubkarren-Rädchen warten. Glücklicherweise auch diesmal wieder vergeblich. Denn trotz der 10.000 Kilometer und jeden Tag mindestens 5000 oder 6000 Höhenmeter – nur rauf, versteht sich – macht keiner Bekanntschaft mit dem wie auch immer gearteten Asphalt.

Geschraubt haben wir auch.

Dass auf den drei Tagen, die uns bis nach Innsbruck im Norden und ganz grob den Mendelpass im Süden gebracht haben, der Verschleiß der tägliche Begleiter ist, versteht sich bei 14 Kisten, von denen alle älter als 40 Jahre sind, fast von selbst. Das Schrauben bei einem Seidla Forst gehört am Abend genauso dazu wie die Pizza in der echt empfehlenswerten Rocker-Kneipe in Trens – oder das Rudel-Tanken unterwegs, das halt mit einem Gemisch-Gierschlund unter der Seitenbacke immer ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nimmt. Aber während der eine oder andere an der Tankstelle oder am Pass auf dem Rennrad im hautengen Dress insgeheim die Faust ballt, weil es wieder mal ein bisschen länger dauert, oder weil der sonnengegerbte Sportler weiß, dass er den Qualm bis hoch zum Gipfel als Begleiter haben wird, fliegen uns trotzdem wieder die Herzen der meisten zu, die uns entgegen kommen. Daumen hoch bei den lederkombinierten Supersportler-Heizern. Jubilierendes Winken nicht nur aus feuerroten Spidern von Alfa.

Man trifft sich immer wieder auf den Pässen.

Man trifft sich ja immer wieder auf den einschlägigen Pässen, kommt international in den Plausch, wenn das Visier erst mal hochgeklappt ist. Egal, ob am Timmelsjoch, das erst eine gute Woche vorher halbwegs vom Schnee befreit worden ist und das uns in den Tunnels ganz weit oben wie zur freundlichen Abkühlung mit Massen an Tauwasser duscht. Oder am duftenden Würz-Joch, am Campolongo, Pordoi oder an diesem wunderbaren Mendelpass, bevor wir uns nach einem letzten Tankstopp im glutheißen Meran noch einmal über den Jaufenpass von Südtirol verabschieden. Für dieses Jahr zumindest. Um nach dem einen oder anderen Tag der Regeneration, die diesmal selbst die Jungen im Rennteam brauchen, schon wieder fürs nächste Jahr zu brennen. Für den schönsten Urlaub im Jahr.

Weil es einfach so wunderbar bekloppt ist, mit der Vespa die Grenzen auszuloten. Jede Kurve neu.