Project Description

Struzzo!

Struzzo – das klingt erst mal ein bisschen wie die Bezeichnung für einen leicht vertrottelten Menschen, dem man in Italien gerne ein herzhaftes „Stronzo!“ hinterherruft. Struzzo allerdings ist viel charmanter. Struzzo heißt die Rohrlenker-Vespa, die die Lampe nicht mehr unten am Kotflügel spazieren fährt, sondern wie einen Blumenstrauß oben am Lenker. Andere vergleichen die damals neue Optik mit dem Vogel Strauß. Unterm Strich ist sie die Brücke zu der Vespa, wie man sie heute kennt.

Die Struzzo von Udo Pötzinger allerdings ist mehr: sie ist ein bunter Geschichten-Strauß. Ihren Weg nach Deutschland muss sie in einem großen Kombi gefunden haben, erzählt der Vespa-Freak Udo Pötzinger. Der ist der Struzzo schon endlos lange auf der Spur. So lange, wie man eigentlich keiner Liebe hinterher läuft. 19 Jahre lang. „2001 habe ich sie zum ersten Mal gesehen. Und schon damals hat sie mir unglaublich gut gefallen. Und auch sie wollte ich aus ihrem Dornröschenschlaf aufwecken.“ Wie so viele andere Roller zuvor, die er inzwischen gesammelt hat, die er hegt und pflegt, deren Originalzustand er bewahrt.

Doch Udo Pötzinger beißt erst mal auf Granit. Die Struzzo bleibt ganz in der Nähe von Bayreuth in einer Halle stehen. Dann zieht sie um in eine andere Halle. Wird nach und nach zugebaut mit Autos und Teilen. Und steht. Und steht. Und steht. „Ich habe den Besitzer immer wieder angerufen. Nach zehn Jahren Pause wieder. Und auch im vergangenen Jahr hab ich mich mal wieder gemeldet.“ Und plötzlich ruft der Besitzer selbst an, fragt Udo Pötzinger, ob er nicht jemanden wisse, der Interesse an einer PX habe – und „dann habe ich ihm angeboten, die PX zu nehmen. Im Paket mit der Struzzo. Schweren Herzens hat er sie dann schließlich hergegeben“.

Was er aus der Geschichte weiß: „1999 hat der Vorbesitzer sie auf einem Markt in München aus dem Kofferraum eines Ford Granada heraus gekauft. Und abgestellt.“ Dem Zulassungs-Libretto, das sie am Kotflügel spazieren fuhr, konnte man entnehmen, „dass sie wahrscheinlich bis 1997 noch im Einsatz war und dann abgestellt wurde“. Im Einsatz in einem bewegten Leben, denn auf ihrem schrundigen, zum Teil aber überraschend gut erhaltenen Lack trägt sie wunderschöne Aufkleber von Monaco, wo ihr stolzer Besitzer wahrscheinlich mit ihr hingerollert ist von Carmagnola im Piemont aus. Bei Renzo Bassignana, einem Motorradhändler, hatte er die Struzzo wohl im Jahr 1956 gekauft.

VL3T heißt sie in ihrer weniger klangvollen, eher technischen Typenbezeichnung und kam „als Nachfolgemodell der Faro Basso auf den Markt. Als Rohrlenker-Version, die als Tourenmodell parallel zur GS, der Sportversion gebaut wurde“, wie Udo Pötzinger sagt. „Sie war auch die erste 150er, die gebaut wurde. Von 1955 bis 1957.“

Zu seinen Vespas muss Udo Pötzinger „immer eine Bindung aufbauen“, wie er sagt. Behutsam bekommt die Struzzo wieder die Fähigkeit zurück, auf eigenen Rädern zu stehen. Udo Pötzinger lässt sich Zeit – und gibt auch der betagten Schönheit die Chance, so zu sein, wie sie ist: Die einzigen Neuteile sind die Züge, die Reifen und die Kupplung. „Den Vergaser habe ich gereinigt, die Bremse hinten habe ich neu belegt. Das war es eigentlich schon. Selbst der Tank war blitzsauber. Offenbar ist die Vespa mit offenem Benzinhahn abgestellt worden. Der Sprit war weg. Nur im Schauglas des Benzinfilters hatte sich noch ein bisschen Öl gesammelt.“ Und: „Der Motor blieb zu. Und der bleibt auch zu, so lange er geht.“ Er geht – und zwar sogar gut mit seinen sechs PS. „Sie fährt sich wirklich schön. Man sitzt einfach herrlich breit auf der Struzzo, wie auch auf der Lampe unten. Das fährt sich richtig erhaben.“

Der Lack bleibt ebenso unangetastet, um die Patina strahlen zu lassen. So reiht sie sich ein in die Ahnengalerie und macht vor allem eines: „Ich wollte die Rohrlenker-Serie komplettieren“, sagt Udo Pötzinger. Aus der die Struzzo heraussticht wie ein Blumenstrauß.